Messina

Quellen:
Text:  Kapitel 1Reisebericht "Aus Sizilien" von , erschienen
Überschriften, Bilder und Kommentare:  Britta Bohn
Veröffentlicht am:  24. März 2012
Letzte Änderung:  13. Mai 2020

 

Von Neapel nach Messina


Die meisten Fremden fahren von Neapel nach Palermo und beginnen von dort ihre Reise durch Sizilien. Ich habe es vorgezogen, zuerst nach Messina zu gehen, der alten Mahnung treu, überall von dem Kleinen zum Größeren, von dem Einfachen zum Bedeutenderen fortzuschreiten.

Die Fahrt ist bei gutem Wetter sehr genußreich. Man sieht die herrliche Bucht von Neapel allmählich entschwinden und befindet sich bald auf dem offenen Meere, bis endlich fern im Osten der massive Kegel des Stromboli auftaucht, der unablässig Rauchwolken aus seinem Krater entsendet und zuerst an die Nähe der vulkanischen Insel erinnert.

Nach und nach erscheinen die Formen des sizilianischen Gebirges, das keineswegs durch seine Höhe, wohl aber durch sein wildes, fast ungastliches Aussehen ausfällt. Wer an die sanften, anmutigen Linien der Apenninen gewöhnt ist, die sich, um einen Ausdruck Hehns zu gebrauchen, wie ein Tempeldach längs dem Horizonte hinziehen, wird sich durch die kühne und schroffe Bildung des sizilianischen Gebirges gerade bei Messina nicht wenig überrascht fühlen.

Und doch war einstmals an dieser Stelle Sizilien mit Italien zu einem Kontinente verbunden. Schon die griechischen Geographen haben die Insel ein vom Festlande abgerissenes Stück genannt und damit einer Überzeugung Ausdruck gegeben, die Virgil in die folgenden Worte faßt:

"Dort durch Gewalt vormals und erschütternden Einsturz zerrüttet
Barst, wie man saget, der Grund, da vereinigt beiderlei Länder
Feste noch war; einströmte die Flut, und mit stürmender Brandung
Riß sie das Sikulerland von Hesperia; Fluren und Städte,
Durch Meerufer getrennt, durchspült nun geengeter Strudel."

Und die moderne Geologie scheint dies insofern zu bestätigen, als sie uns versichert, daß das Gebirge an beiden Seiten der Straße von Messina völlig übereinstimmend gebaut ist.

 

Ankunft in Messina


Man wird bei der Ankunft mit Ruderbooten vom Schiffe abgeholt und unter endlosem Gerede, Geschrei und Gedränge an der Marmortreppe, der "scala di marmo", ans Land gesetzt.

Das Auge ruht mit Bewunderung auf der sogenannten "Palazzata", einer langen Reihe von Palästen, die die eine Seite des Hafens begrenzen. Bei genauerer Betrachtung hält der erste Eindruck freilich nicht stand. Die Außenseiten der Paläste sind ganz einförmig, mit Durchgängen für die Straßenmündungen in gleicher Entfernung; auch sind sie unvollendet geblieben, denn sie haben nur die Hälfte der beabsichtigten Höhe von vier Stockwerten erreicht.

Einen Spaziergang an dem stets belebten Hafen wird niemand versäumen. Wenn die Marina von Messina auch nicht mit der Chiaja von Neapel wetteifern kann, so ist sie doch ohne Zweifel freundlicher als der einsame Strand am Meere zu Palermo, der sich nur an Sommerabenden belebt.

Der Hafen selbst ist bekanntlich einer der schönsten und sichersten der Erde. Er wird (ähnlich wie in Trapani) durch eine sichelförmige, beinahe einen Kreis schließende Landzunge gebildet, die man für den obersten Rand eines von den Wellen umspülten, längst erloschenen Vulkankraters erklärt hat; andere führen ihre Gestalt aus die bildnerische Kraft des Meeres zurück. Jedenfalls hat sie der Stadt ihren ältesten Namen, Zankle, gegeben, denn Zanklon oder vielmehr Danklon hieß nach einer gelegentlichen Bemerkung des Thukydides in der Sprache der Sikeler die Sichel.

 

Die Sehenswürdigkeiten


Messina ist sehr häufig durch Erdbeben verwüstet worden. Besonders schrecklich muß das von 1783 gewesen sein; als Goethe vier Jahre später da war, ritt er nach seinen eigenen Worten eine Viertelstunde durch Trümmer und sah aus den Fenstern seiner Herberge nur eine zackige Ruinenwüste. So erklärt es sich denn leicht, weshalb die Stadt weder Kunstwerke noch Altertümer besitzt.

Unter den Bauwerken ist noch das sehenswerteste der Dom, welcher der "Madonna della 1ettera" geweiht ist. Der Name erklärt sich aus einem im Dome befindlichen Heiligtume. Als nämlich der Apostel Paulus im Jahre 42 nach Rom reiste, gab ihm, so erzählt die Überlieferung, die Madonna eine Locke ihres Haares und einen Brief an die Bürgerschaft von Messina mit, in dem sie dieselbe ihrer besonderen Gunst versicherte.

Das Dokument ist später verbrannt, indes befinden sich im Dome zwei Abschriften. Seitdem ist die "Madonna della lettera" die Schutzpatronin der Stadt, und man feiert ihr zu Ehren alljährlich große Feste, verehrt auch ihr wunderthätiges, juwelengeschmücktes Bild mit geziemender Frömmigkeit.

Für den Fremden ist von größerem Interesse ein Besuch der alten Burg, des "Castellaccio". Um dorthin zu gelangen, durchschneidet man die Stadt, der das Gebirge keine große Ausdehnung nach Westen hin gestattet, und steigt dann steil bergan.

Von der Höhe des jetzt in Trümmern liegenden Kastells – es stammt von Karl V. her – hat man einen trefflichen Blick auf den Sand von Messina und die kalabrischen Berge. Einem Strome vergleichbar, der in majestätischer Breite dahinflutet, liegt die Meerenge vor uns, verworren tönt der Lärm des Hafens herauf, während gegenüber sich in ernster Schönheit die Berge des Festlandes erheben.

 

Die Umgebung von Messina


Am schönsten soll der Blick an Abenden sein, wenn blasses Rosenrot und matter Silberglanz miteinander streiten. Ich war morgens da und hatte bei dem scharfen, fast grellen Sonnenlichte einen Blick auf das sizilianische Gebirge, der mich lange gefesselt hielt.

"Ein weißer Glanz ruht über Land und Meer,
Und duftend schwebt der Äther ohne Wolken." (Goethe)

Das pelorische Gebirge liegt völlig baumlos vor dem Beschauer. In die Täler ziehen sich anfangs noch Zitronen- und Orangenhaine hinein, dann aber verengen sie sich rasch und enden mit wildem Geröll. Darüber steigt die Gebirgswand schroff empor, bald wie ein langgestreckter Rücken fortlaufend, bald in Zacken und Klippen von phantastischer Mannigfaltigkeit aufgelöst.

Von den entwaldeten Höhen ziehen sich in scharfen Furchen jene Gießbäche herab, deren Bett im Sommer trocken daliegt, im Winter aber wilde Wasser, mit Geröll untermischt, nach dem Meere hinabführt, denen die Stadt als Durchgang dienen muß. Gegen die verheerende Gewalt dieser "Torrenti" oder "Fiumaren" läßt sich nichts anderes thun, als daß man sie mit starken Mauern zu beiden Seiten einschließt, zwischen denen sie dann nach Herzenslust toben mögen. Ob eine planmäßige Aufforstung der jetzt völlig kahlen Berge Siziliens imstande wäre, die "Fiumaren" in regelrechte Wasserläufe zurückzubilden, ist eine offene Frage.

Es scheint zudem, als habe der Italiener weder für die Schönheit des Waldes noch für seinen Nutzen viel Sinn; er hat von jeher seine Freude in der Zerstörung der Bäume gefunden und ist weit von jener entsagungsvollen Arbeit entfernt, die erforderlich wäre, um Steingeröll in Waldboden zu verwandeln.

 

Scylla und Charybdis


Doch wer könnte von Messina scheiden, ohne der Charybdis und der Scylla gedacht zu haben, der Charybdis, die uns seit der Jugendzeit aus Schillers unvergleichlichen Versen vertraut ist, und der Scylla, die nach Homer "ein verderbliches Scheusal" war;

"Füße besitzet sie zwölf und alle garstig verkümmert,
Hälse hingegen sechs von erstaunlicher Länge. Die tragen
Jeder ein schreckliches Haupt, in diesem dreifachgezeilte
Zähne, zahlreich, dicht und starrend von finsterem Tode.
Mitten im Felsengeklüft verborgen liegt sie und streckt nur
Eben die Köpfe hervor aus der Lücke des grausigen Schlundes."

Wo sind die beiden Ungeheuer? Nun, schon Virgil hat sie in das Schattenreich der Unterwelt verwiesen; in unseren Tagen hat man sie in das Land der Fabeln und Schiffermärchen versetzt, allwo sie mit vielem anderen, was die Dichterphantasie geschaffen hat, ein unsterbliches Leben führen.

Jetzt gilt als Charybdis ein Strudel bei der Spitze des Hafendammes von Messina, auch "Rema" oder "Garosalo" genannt. Die Hauptströmung in der Straße von Messina geht nämlich von Norden nach Süden und von Süden nach Norden, alle sechs Stunden umsetzend, und zwar nach einer Pause von 15 – 60 Minuten; an den beiden Küsten gehen aber schwächere, der Hauptströmung entgegengesetzte Strömungen.

So entstehen kleine Wirbel, die besonders bei heftigem Südwinde sichtbar sind. Wenn sie auch keine Opfer mehr fordern, so sind sie doch, wie man versichert, noch kräftig genug, um ein großes Dampfboot, das sie durchschneidet, merklich aus dem Kurse zu bringen. Man sieht daraus, die Alten haben die Strömungen in der Meerenge ganz richtig beobachtet, und auch was sie über die Wirkungen des Strudels sagen, ist nicht gänzlich falsch.

Was aber Scylla anbetrifft, so führt diesen Namen jetzt ein niedriger, dunkler Fels am kalabrischen Ufer, der über der See hängt und mit einem altertümlichen Schlosse gekrönt ist. An seinem Fuße liegt eine hellschimmernde kleine Stadt; die Straße führt in Windungen vom Ufer hinauf. Es ist aus der Ferne ein heiterer und freundlicher Anblick; wenn aber bei unruhigem Wetter die weißschäumenden Wogen gegen den Felsen stürmten, so mochte der griechische Seefahrer in seinem gebrechlichen Schiffe wohl von banger Furcht ergriffen werden und die Gefahren vor Augen sehen, von denen Homer in der Weise des Dichters berichtet.

 

Der neue Friedhof von Messina


Die schmale Strandebene, in der Messina zwischen Meer und Gebirge eingepreßt liegt, hat die Stadt, die jetzt reichlich 80.000 Einwohner zählen mag, gezwungen, ihre Ausdehnung von Norden nach Süden zu suchen. Durchwandert man sie der ganzen Länge nach, so findet man eine halbe Stunde vor dem südlichen Thore den wegen seiner schönen Lage gepriesenen neuen Friedhof.

Palmen und immergrünes Gesträuch stehen am Eingange; höher hinauf bemerkt man rechts und links eine Anzahl von zierlichen Kapellen im antiken Stile; auf dem höchsten Punkte liegt das Hauptgebäude. Es ist das eine nach dem Meere zu geöffnete Halle mit schönen ionischen Säulen.

In das Innere tretend, sieht man zu beiden Seiten zahlreiche Öffnungen in den Wänden, die zur Aufnahme von Särgen bestimmt sind und dann mit einer Marmorplatte geschlossen werden. Vor ihnen stehen auf Fußgestellen Von weißem Marmor die Büsten der Bestatteten.

Hier ruht u. a. der Patriot "Pellegrino", der unter der Bourbonenherrschaft zu fünfundzwanzigjährigem Kerker verurteilt war und nach neunjähriger Haft dnrch den Sturz der Bourbonen befreit wurde. So trägt denn sein Grabdenkmal die Kette, an die er einst geschmiedet war, nebst der wirkungsvollen Inschrift: "la catena dal tiranno, dalla patria il monumento".

Auffallend ist, hier auch die Büsten von noch Lebenden neben ihrer künftigen Ruhestätte zu finden. Andere Denkmäler auf diesem Friedhofe befremden durch ihre Inschriften, z.B. das den beiden städtischen Beamten "Gallimberti" und "Anelli" errichtete, die im Dienste der Stadt ihr Leben geopfert haben. Es ist ein antiker Altar, der oben als Inschrift die in Metall nachgebildeten Kondolenzschreiben trägt, welche König Umberto und Crispi damals an die städtische Verwaltung richteten; darunter befindet sich ein eichenumkränzter eherner Schild mit der Inschrift "dovere" (Pflicht).

Urlaub in Sizilien

Zu Zeiten von Ernst Ziegeler konnten sich nur wenige Menschen einen Urlaub auf Sizilien leisten. Heute kommen Sie mit dem Flugzeug in zwei Stunden vom Norden Europas zu einem der drei internationalen Flughäfen Siziliens. Dort bieten sich Mietwagen, Busse und Anschlüsse der Trenitalia zur Weiterfahrt an.

Der Tourismus ist mittlerweile einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Siziliens. Die Sonnen-Insel bietet daher viele Hotels. Ferienwohnungen mit deutschsprachiger Betreuung gibt es dagegen selten. In diesen drei Urlaubsorten ist das anders:

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